Sexualreform und Sexualwissenschaft
  1921 organisiert das Institut für Sexualwissenschaft die "Erste internationale Tagung für Sexualreform auf sexualwissenschaftlicher Grundlage". Auf diesem ersten internationalen Kongress in Deutschland nach dem Weltkrieg sind namhafte WissenschaftlerInnnen und SexualreformerInnen vertreten. Gemeinsam ist ihnen eine linksliberale politische Haltung, die sich gegen eine Bevormundung des Staates in Fragen der "Sittlichkeit" richtet, sowie die Vorstellung, dass die Sexualwissenschaft die Grundlagen für umfassende Reformen schaffe  1   2 .

Unterschiede gibt es in der wissenschaftlichen Interpretation einzelner Phänomene - z.B. ob Homosexualität eine Anlage oder erworben ist -, aber auch bei einigen Reformschritten, z.B. Freigabe der Abtreibung.

Die Leistung des Kongresses besteht vor allem in der personellen Vernetzung der einzelnen Sexualreformbewegungen. Auf dem II. Kongress, der erst 1928 in Kopenhagen stattfindet, wird der organisatorische Schritt nachgeholt: Die Gründung der "Weltliga für Sexualreform"  3 . Die Weltliga zählt daher auch die erste Tagung 1921 in Berlin als ihren ersten Kongress. Es folgen die Kongresse in London (1929), Wien (1930)  5  und Brno/Brünn (1932)  4 .

Das Bestehen der Weltliga führt allerdings nicht zu einer Verschmelzung der verschiedenen sexualreformerischen Diskurse, auch gibt es auf internationaler Ebene keine zentrale Lenkung - obgleich das "Zentralbüro" der Weltliga seinen Sitz im Institut hat. Die Mitglieder der Weltliga erhoffen sich durch ihre internationalen Verbindungen eine größere Reputation. Die gemeinsamen Resolutionen finden kaum öffentliche Aufmerksamkeit. Auch die Weltliga selbst scheint die Resolutionen nicht besonders ernst zu nehmen: sie werden immer wieder neu formuliert, ohne dass die Gründe für die Änderungen ersichtlich sind. Die einzelnen nationalen Sektionen der Liga führen ein eigenständiges Leben und sind unterschiedlich aktiv - in Deutschland kaum.

1935 wird die Weltliga aufgelöst, die besonders aktive englische Sektion arbeitet unter dem Namen "Sex Education Society" weiter.


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