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Andreas Pretzel und Gabriele Roßbach:

"Wegen der zu erwartenden hohen Strafe ..."

Homosexuellenverfolgung in Berlin 1933-1945

Herausgegeben vom Kulturring in Berlin e. V.
Verlag rosa Winkel, Berlin 2000

Mit Beiträgen von Carola Gerlach, Ursula Meinhard, Andreas Pretzel, Gabriele Roßbach und anderen sowie einem Vorwort von Günter Grau

ISBN 3-86149-095-1, Format 17 x 24 cm, 347 Seiten, 70 Abbildungen., broschiert, 32,- DM


Kurzvorstellung - Inhaltsverzeichnis - Pressestimmen - Literaturempfehlungen


Titelbild

Das Buch stellt die Verfolgung der Homosexuellen in der Reichshauptstadt erstmals umfassend dar. Mehr als 2.000 Strafakten des Landgerichts Berlin wurden systematisch ausgewertet, in den Staatsanwaltschaftsregistern über 17.000 Ermittlungsfälle erkundet. Nahezu jeder 100. Berliner im strafmündigen Alter wurde beschuldigt, "als Homosexueller in Erscheinung getreten" zu sein.

Im Vergleich zu reichsweiten Sonderaktionen war in Berlin, dem Eldorado der Homosexuellen, die Verfolgung besonders intensiv und anhaltend: Hier war von 1935 bis 1940 ausschließlich die Gestapo zuständig. Das Buch geht zeitlich darüber hinaus und liefert damit zum ersten Mal eine Regionalstudie, die auch auf die Verfolgung während der Kriegszeit eingeht, als die Kripo fortsetzte, was die Gestapo begonnen hatte. Noch Anfang März 1945 waren Kripobeamte des Homosexuellendezernats in einer Sondergruppe unterwegs, um Homosexuelle aufzuspüren.

Anliegen des vom Kulturring in Berlin e.V. herausgegebenen und im Verlag rosa Winkel erschienenen Buches ist es, eine breite Öffentlichkeit für die leidvollen Erfahrungen dieser Opfergruppe des Nazi-Regimes zu sensibilisieren, die absichtlich als solche ausgegrenzt, in beiden deutschen Staaten bis Ende der 60er Jahre weiter kriminalisiert und bis heute nicht rehabilitiert und entschädigt wurde.

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Die Ermittlungs- und Strafakten gewähren Einblick in die Praxis der Verfolgung. Sie offenbaren die entsetzliche Situation, in die viele Homosexuelle durch die Verfolgung der Polizei und eine gnadenlose Justiz gerieten. Da sich bisherige Abhandlungen zur NS-Homosexuellenverfolgung vor allem auf Polizeiakten stützten, wird mit der umfangreichen Auswertung der Justizstrafakten des Berliner Landgerichts eine weitere Forschungslücke geschlossen. Besondere Aufmerksamkeit galt indes der Tätigkeit und den Motiven der Verfolger bei Polizei und Justiz.
Die Strafakten zeigen, inwieweit die verkündeten Ziele der Homosexuellenverfolgung Wirklichkeit wurden. Trotz der pauschalen Naziparolen zur "Ausrottung der Homosexualität" kam gegen Männer, die homosexueller Handlungen beschuldigt und "überführt" wurden, ein differenziertes Verfolgungsinstrumentarium zum Einsatz. Das Grauen hatte viele Gesichter.
Die Verfasser haben sich bemüht, die Akten weitgehend selbst sprechen zu lassen. Die Zitate dokumentieren, mit welcher Abscheu und geschäftsmäßigen Routine, mit welchem Nachdruck und aus welchen Beweggründen Homosexuelle durch Polizei- und Justizbeamte terrorisiert wurden. Es zeigt sich, auch Menschenverachtung hat viele Gesichter.

Der erste Teil des Buches beruht auf der systematischen Auswertung der Akten. Er behandelt die verheerende Rolle, die Anzeigen und Denunziationen spielten, und untersucht die besonderen Ermittlungs- und Verhörpraktiken von Gestapo und Kripo sowie die richterliche Urteilspraxis.
Ausführlich geschildert werden zudem Strafverfahren aus den Jahren 1938-1941, in denen es um homosexuelle Handlungen im KZ Sachsenhausen ging. Die bisher unbekannten Täterdokumente liefern einen einzigartigen, erschütternden Einblick in das Schicksal homosexueller KZ-Häftlinge.

Zugleich geben die Akten Aufschluß über Einzelschicksale und Lebenswege. Gefunden wurden auch persönliche Dokumente, Fotos und Briefe, die Einblick in ganz Privates vermitteln. Daraus ließen sich im zweiten Teil des Buches 17 Strafverfolgungsgeschichten von Homosexuellen rekonstruieren, die auch vom Alltag sowie von Liebe, Glück und Leid erzählen. Ihr Schicksal steht für viele andere, an die allein die Strafakten erinnern. Geschildert wird z. B., welch drakonische Bestrafung anonymer Sex in einer Bedürfnisanstalt nach sich zog. Nacherlebbar wird die große Liebe eines Blumenhändlers ebenso wie die Tragik eines 76jährigen Mannes, der lebenslang litt an seiner sexuellen Vorliebe für junge Männer. Als fatal erwies sich der Tatverdacht gegen einen Lehrer, der zu einem zweifelhaften Urteil führte, das auch in der Nachkriegszeit bedenkenlose Zustimmung erfuhr.
Und dennoch: Trotz Verfolgung und Bestrafung war schwules Leben in Berlin möglich, gab es Treffpunkte, um Freundschaften zu schließen und Liebschaften zu beginnen, Orte für Flirt, Zärtlichkeit und Sex. Ein schwuler Stadtführer durch das Berlin der Nazizeit ist fragmentarisch aus den Akten entstanden.

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"Seit den Aufzeichnungen L. D. Classen von Neudeggs 'Aus meinem KZ-Tagebuch' und Heinz Hegers Bericht 'Die Männer mit dem rosa Winkel' hat mich kein Text über die Schwulenverfolgung im Dritten Reich so mitgenommen und empört wie dieser: hier wird nicht nur vom menschenverachtenden System der Nazis, ihren Foltern und Morden berichtet, hier wird alles mit Aktenzeichen und Dokumenten belegt." (Egmont Fassbinder; Verlag rosa Winkel)


Artur V.

Artur V., 1936 Hilfsaufseher im Gefängnis Tegel, seit 1922 als Transvestit in der Homokartei der Berliner Kripo notiert. (Landesarchiv Berlin)


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